Lutherbrötchen aus dem heißen Herd

War das „Testbacken“ einige Wochen zuvor schon ein Ereignis größer als geplant, ging es am Reformationstag in Schildau richtig heiß her. Erstmals sollte nun auch für ein „öffentliches Publikum“ gebacken werden. Dazu ist der Reformationstag, also der 31. Oktober, an dem im Jahre 1517 Martin Luther in Wittenberg seine Thesen an die Tür der Schloßkirche nagelte, genau das richtige Datum. Denn im großen Umkreis um Leipzig – Halle – Wittenberg werden zum Reformationsgedenken spezielle Brötchen gebacken, „Reformationsbrötchen“ eben. Im Dresdner Raum wird aus dem Lutherbrötchen gleich ein Reformationsbrot, wobei da schon mal für den weihnachtlichen Christstollen geübt wird – die Rezeptur ist ähnlich, nur sind weniger Rosinen und Butter drin.

Luthers Siegelring in Kuchenform

Die Reformationsbrötchen, auch „Lutherbrötchen“ genannt, sind dem Siegel nachempfunden, mit dem Martin Luther ab 1530 seine Schriften kennzeichnete. Plagiate ausgeschlossen. Den Siegelring dazu bekam er im September gleichen Jahres vom designierten sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmütigen auf der Veste Coburg überreicht. Das Symbol stellt eine Rose dar, wie Luther sie im Augustinerkloster Erfurt kennengelernt hat. Dort hielt sich Martin Luther zwischen 1505 und 1512 als Augustinermönch auf. Im Erfurter Augustinerkloster ist die Rose als Bild in einem der Fenster enthalten. Die Rose hat fünf weiße Blütenblätter und in der Mitte ein rotes Herz. Darüber trägt sie ein schwarzes Kreuz, als Rand um die Rose ein goldener Ring. Diese Farbwahl hatte für Luther eine tiefe symbolische Bedeutung.

Fertige Reformationsbrötchen im Garten Erdenreich Schildau

Vorbereitungen im warmen Herbstsonnenschein

Der Backofen in der Schildauer Pfarrscheune wurde diesmal bereits am Vormittag mit einem kleinen Feuer angeheizt. Beim Testbacken hatte sich gezeigt, daß die große Speichermasse des Lehmsteinofens eine längere Zeit benötigt, um gute Backtemperaturen zu erreichen. Nachmittags wurde dann nochmal ordentlich nachgelegt.

Bei schönstem noch recht warmen Sonnenwetter trafen sich einige Helfer vor dem Schildauer Gemeindezentrum. Das Zubereiten des Teigs wurde kurzerhand nach draußen verlegt. Unter Mithilfe kräftiger Laienbäcker und der Anleitung einer pensionierten Bäckerin wurden 10kg Mehl mit Hefe, Salz und Wasser zum Brötchenteig verknetet. In mehreren abgedeckten Schüsseln konnte der Teig dann noch ein paar Stunden neben dem Backofen gehen, bis er schon über den Rand zu quellen begann. Andere Mitstreiter bereiteten in der Zwischenzeit den Platz vor der Pfarrscheune mit Bänken, Tischen und Licht vor.

Vor dem Gemeindezentrum Schildau wird Teig für Reformationsbrötchen vorbereitet
In der Pfarrscheune Schildau wird Glut aus dem Lehm-Backofen geräumt

Backen mit Schwung und Mus

Während sich immer mehr Posaunenbläser und Besucher für die Andacht versammelten, begannen zwei freiwillige Bäcker mit der ersten Charge „Reformationsbrötchen light„.

Beim Formen von Reformationsbrötchen in der Pfarrscheune Schildau, Garten Erdenreich

Denn üblicherweise haben diese fünf Zacken oder „Blätter“, wie die Blütenblätter der Lutherrose eben. Das ist technisch allerdings etwas aufwendiger. Mit ausgerolltem Teig, der mittels Rädchen in Quadrate geschnitten wird, geht’s einfacher mit nur vier Ecken. In die Mitte kommt ein Klecks Marmelade oder an diesem Tag selbstgemachter Pflaumenmus und dann werden die Ecken zur Mitte hin eingelegt. So bilden sich die Zipfel der Rosenblätter. Wer mag, kann über die Mitte dünne Teigstreifen als Kreuz legen. Dadurch werden die Reformationsbrötchen der Lutherrose noch ähnlicher.

Um die Teiglinge dann in den Backofen zu bekommen, der ja eine Tiefe von über 1m hat, wurden diese verkehrt herum auf einen langen schmalen Schieber gelegt. Der Schieber mußte dann durch die offene Ofentür über den Herd gehalten werden und mit einer schnellen halben Drehung kippten die Brötchen auf die heiße Platte. Nach reichlich einer Viertelstunde war die Teigoberfläche gut gebräunt und die Brötchen durchgebacken. Mit einem Kuchenblech am Stiel wurden sie dann aus dem Backofen „herausgeschaufelt“.

Reformationsbrötchen im Backofen des Schildauer Garten Erdenreich

Reformationsandacht, Schau- Backen und Festessen

Währenddessen fand in der Stadtkirche die Reformationsandacht statt. Insbesondere die Bläser vom Posaunenchor sorgten für festliche Atmosphäre. Auch das Projekt „Garten Erdenreich“ wurde wieder einmal vorgestellt, da viele Gäste davon noch recht wenig wissen. Nach der Andacht wurden alle in den Pfarrgarten eingeladen. Zwischenzeitlich hatten sich an der Pfarrscheune schon weitere Neugierige eingefunden – die Backofeneinweihung und das ganze Projekt „Garten Erdenreich“ ist ausdrücklich nicht nur für die Christen der Kirchengemeinde Schildau vorgesehen. Jeder der Anwesenden konnte mindestens eines der frischen, duftenden Reformationsbrötchen in Empfang nehmen. Die Backofen – Crew zeigte mit einer Runde „Schaubacken“ allen Interessierten, wie das Backen am Lehmbackofen funktioniert. Vor der Scheune versammelte sich eine große Schar der Schaulustigen und Brötchenhungrigen. Es war eine der in diesem Jahr so seltenen Gelegenheiten zum Treffen und Austauschen.

Fertige Reformationsbrötchen warten in der Scheunenküche des Pfarrgarten Erdenreich Schildau auf hungrige Gäste
Besucher der Reformationsandacht vor der Garten Erdenreich - Pfarrscheune beim Genuß von Reformationsbrötchen

Als der vorbereitete Berg an Lutherbrötchen langsam zur Neige ging, verstreuten sich auch die Besucher. Einige hatten noch eine recht weite Heimfahrt.