Vortrag: Warum ein Western nicht im Wilden Westen spielen und ein Cowboy keine Kühe hüten muss.

Regisseurin Inga Degenhard nach der Filmpräsentation "Toms Western" in der Kulturscheune Garten Erdenreich Schildau
Regisseurin Inga Degenhard

Mit einem Kurzfilm und der Diskussion zur Frage, ob ein Western auch vor der Haustür stattfinden kann, lief die erste Veranstaltung nach der Eröffnung der Kulturscheune im Pfarrgarten Erdenreich.

Die junge Regisseurin Inga Degenhard, die noch im Masterstudiengang an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ studiert, war persönlich vor Ort und moderierte das anschließende Gespräch.

Zur Einstimmung des Publikums in der fast bis auf den letzten Platz gefüllten Kulturscheune flimmerten einige Szenen aus verschiedenen Western – Filmen der siebziger Jahre aus West und Ost über die Leinwand. Dann stellte Inga Degenhard in einem kurzen Vortrag die Entwicklung des Genres Western in der Filmlandschaft zusammen.

Zahlreiches Publikum in der Kulturscheune Schildau beim Filmabend
Film – Publikum in der Kulturscheune

Phantasieraum Stummfilm

Zwanzig Minuten dauerte der Kurzfilm „Toms Western“, der in der Region Minden Lübbecke gedreht wurde und als Hauptdarsteller einen Teenager mit Down-Syndrom zeigt, der seinen persönlichen Western erlebt. Ein Cowboy erscheint auf dem Nachbarhof, reitet durch die Landschaft und teilt schließlich seinen Kuchen mit dem Jungen. Klischeehafte Szenen typischer Westernfilme wechselten sich mit Alltagsgeschehnissen in einer ländlichen Region ab.

Die Diskussion brandete anfangs vor allem um den mit Erstaunen bemerkten Fakt, daß keiner der Darsteller im Film auch nur ein Wort sprach. Ein Stummfilm im wahrsten Sinne des Wortes. Anfangs empfanden das einige Zuschauer als befremdlich und ihnen fehlte die inhaltliche Führung durch Dialoge. Es zeigte sich jedoch, daß gerade das Fehlen dieser per Sprache transportierten Inhaltsvorgaben einen riesigen Raum für Interpretationen und Deutungen eröffnete, so das „praktisch jeder seinen eigenen Film im Film“ sehen konnte.

Vortrag "Western Film Genre" von Inga Degenhard in der Kulturscheune Garten Erdenreich Schildau
Einstimmung mit Western – Filmszenen

Western hier und heute

Mancher der Zuschauer fühlte sich an die eigene Kindheit und Jugend erinnert, in der Westernphantasien oftmals eine Rolle gespielt haben. Schon von daher wurde deutlich, daß „Western auf jeden Fall vor der Haustür“ zu erleben sind – ob am Lagerfeuer oder in der Bude hinterm Bahndamm…

Fragen gab es natürlich auch zu den Drehorten – eine Bahnstation, ein Rummelplatz mit Schießbude und Kettenkarussell, eine Western – Eisenbahn mit Dampflok und Holzklasse – Waggons, die Felsdurchbrüche der Externsteine….

Filmgespräch mit der Regisseurin in der Kulturscheune
Im Filmgespräch mit der Regisseurin

Auch unabhängig vom Western von gestern hat die Kulturscheune sich als Austragungsort von Filmabenden als stimmiges und besonderes Ambiente bewährt, so daß sich alle schon auf weitere Veranstaltungen freuen. Wie sich an den langen Gesprächen in und außerhalb der Scheune im Anschluß an die offizielle Veranstaltung zeigte, war der Filmabend vielen Besuchern ein willkommener Anlaß, zusammenzukommen und sich auszutauschen.

Worum geht es in dem Film „Toms Western“?

Tom liebt Westernfilme und möchte am liebsten selbst im wilden Westen leben. Er stürzt sich in Tagträumereien als Kontrast zu seinem „schnöden“ Alltag – dem eines Teenagers mit Downsyndrom auf dem Dorf. Eines Tages kommt ein Fremder am Dorfbahnhof an, optisch vom Cowboy kaum zu unterscheiden, und fängt an, auf dem alten Nachbarhof zu arbeiten. Von Neugierde getrieben, schleicht Tom sich immer wieder zum Nachbarhof. Endlich scheint er seine Western-Träume  in seinem Alltag wiederzufinden. Doch als er eines Tages sieht, wie der Cowboy sein Pferd verkauft, droht Toms Sehnsuchtsort zusammenzufallen.

Der Film wurde auf dem REC Filmfestival 2020 mit einem Goldenen Clip geehrt.

Begründung der Jury vom Rec Filmfestival:

Ein Bahnhof, zwei Helden, weite Landschaften und ein Pony: TOMS WESTERN erfüllt alle Anforderungen des Genres und bricht gleichzeitig die Klischees: Der Film erzählt von den Träumen eines Teenagers mit Downsyndrom auf dem Land. Ohne gesprochene Dialoge und mit kreativ eingesetzten Filmzitaten ist der Film gleichermaßen eine Hommage an das Genre und an seinen Helden Tom.

Daten und Fakten zum Film:

Titel: Toms Western
Erscheinungsjahr: 2020
Länge: 20min.
Sprache: Deutsch

Regie: Inga Degenhard
Kamera: Inga Jöns
Montage: Eva Haimerl
Produktion & Sound Design: Armano Forster

Presseresonanz

Mehr über die Vorgeschichte zum Film, die Beteiligten und die Produktion in der Region Minden – Lübbecke könnt Ihr in der nw – online – Ausgabe nachlesen.

Zur Preisverleihung beim REC Festival 2020 für den Film berichtete das Westfalenblatt.